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BaZ: 70% Corona-Patienten mit Migrationshintergrund – was nun?

Comment: In Switzerland, 70% of hospital patients treated for Covid 19 are non-citizens. Thus, migrants are 3 times as often hospitalised for Covid than are citizens. Are migrants targeted by the medical system?

70 Prozent der in Schweizer Spitälern behandelten Corona- Patienten haben Migrationshintergrund, also sind Migranten im Schnitt dreimal so häufig wegen Covid hospitalisiert wie Schweizer. Werden hier Migranten zu Opfern der Corona- Politik?

Migranten und Secondos haben es verdient, dass sich die Gesellschaft mit ihrem höheren Ansteckungs- und Erkrankungsrisiko auseinandersetzt. Rassismusvorwürfe sind fehl am Platz.

BaZ (Basler Zeitung) Daniel Wahl Publiziert: 04.12.2020, 21:12

Regierungsrat Thomas Weber hat die Recherchen der BaZ, beziehungsweise die Informationen von Pflegerinnen und Pflegern in den Spitälern der Nordwestschweiz amtlich gemacht: 70 Prozent der Corona-Patienten auf der Intensivstation und in den Pflegestationen haben Migrationshintergrund. Er stützt sich dabei auf Angaben von Chefärzten, wie er im Landrat am Donnerstag und gegenüber dem «Regionaljournal» von SRF ausführte. Mit 40 Prozent seien auch die fremdländischen Namen auf den Corona-Ansteckungslisten überproportional vertreten.

Man müsse die Leute wohl besser erreichen, war Webers erste Reaktion, die auch gleichzeitig sein Schuldeingeständnis sein könnte: Der Staat ist bisher zu wenig zu den fremdsprachigen Menschen durchgedrungen. Corona-Informationen sind an den Bus- und Tramstationen bislang auch bloss in deutscher Sprache ausgehängt worden. Das will der Baselbieter Gesundheitsdirektor in einem ersten Schritt ändern. Dass Weber dazu konkrete Zahlen nannte, trug ihm von linker Seite den Vorwurf ein, rassistische Ressentiments geweckt zu haben. Eine Diskussion über den Zusammenhang zwischen Migration und Corona soll im Keim erstickt werden.

Angst und Tabu

Bedenklich ist, dass Pflegende, denen im Spitalalltag die vielen fremdländischen Namen schon längst aufgefallen waren, nur unter Wahrung ihrer Anonymität Medien informieren wollten und dass die Zahl von 70 Prozent erst jetzt diskutiert wird, nachdem die Corona-Ansteckungen Spitzenwerte erreicht haben. Zu gross ist die Angst, gleich von der Rassismuskeule erschlagen zu werden oder berufliche Nachteile zu erfahren. Warum eigentlich? Die Tabuisierungskultur ist Gift für Erkenntnis und Fortschritt.

Stammten 70 Prozent Corona-Patienten aus unseren Altersheimen, wäre der Aufschrei riesig, Politiker würden Alarm schlagen und die Gesellschaft bereitwillig darüber diskutieren, wie man Betroffene besser schützen könnte, ob man früher hätte Massnahmen ergreifen müssen. Erkranken aber überdurchschnittlich viele Menschen mit Migrationshintergrund und landen auf der Intensivstation, scheint das egal zu sein, Blindflug in den Statistiken ist bis heute die Maxime. Erst nach dem mutmasslichen Höhepunkt der zweiten Welle, dringt das Thema – übrigens jetzt auch in Österreich und Deutschland – in die Medien. Das Wegschauen bei Menschen mit Migrationshintergrund ist, mit Verlaub, Umkehr-Rassismus.

Die Tabuisierungskultur ist Gift für Erkenntnis und Fortschritt.

Vielmehr haben sie es verdient, festzustellen, dass sie überdurchschnittlich Corona-Risiken ausgesetzt sind, und es ist nur billig, die Ursachen dafür zu suchen. Wie immer sind die Gründe vielschichtig. Gibt es in bestimmten Volksgruppen Prävalenzen? Liegt es an der Ernährung? Forscher und Soziologen liefern Erklärungsansätze, aber die wichtigen Daten werden nicht erhoben oder bloss unter grösster selbstauferlegter Zurückhaltung veröffentlicht.

Wer die (endlich) transparent gemachte Corona-Gemeindekarte des Kantons studiert, erkennt unschwer, dass die Betroffenheit den Sozialwohnungsbau entlang folgt, wo strukturell bedingt eher Menschen mit Migrationshintergrund wohnen. Zunzgen, Laufen, Liestal, Pratteln, Münchenstein, Birsfelden stechen heraus. Es sind auch die Orte, in denen die Grossfamilien nicht einfach in den grünen Garten entfliehen können wie die besser betuchten Schweizer. Das Virus folgt mutmasslich auch jenen Berufsschichten, die nicht einfach im Homeoffice arbeiten können. Aber selbstredend geht ein höheres Ansteckungsrisiko für Leute einher, die nach der Grenzöffnung in ihr Heimatland gereist sind. Niemand will ihnen Leichtsinn unterstellen. «Nach der Grenzöffnung im Sommer hatten die Balkanländer hohe Fallzahlen, deshalb hatten sich dort viele Menschen mit Migrationshintergrund angesteckt», sagt beispielsweise der ehemalige Covid-19-Sonderbeauftragte des Bundes, Daniel Koch. Und dann fallen auch jene auf, die aufgrund von Sprachbarrieren nichts von den Corona-Massnahmen mitbekommen.

Mehr Geld für Migranten

Es ist Thomas Weber kein Vorwurf zu machen, wenn er das Thema in der Volkswirtschaftsdirektion aufnimmt und mit Massnahmen reagiert. Dahinter steckt das Bedürfnis, die ohnehin nicht übermässigen Corona-Mittel zielgerichteter einzusetzen, damit das Gesundheitssystem nicht kollabiert, welches nun mal zu 70 Prozent auf Covid-Stationen von Menschen mit Migrationshintergrund beansprucht wird. Niemand will sie im Stich lassen.

Auf diese Zahl zu reagieren, bedeutet in erster Linie, dass man mehr Geld und Mittel für diese Menschen investieren muss.

Categories: Deutsch, Heath, Society

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